Dr. Petra Bahr ist die Landessuperintendentin des Sprengels Hannover der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers.
Nach einer journalistischen Ausbildung hat sie Theologie und Philosophie in Münster, Bochum und Jerusalem studiert. Nach Station bei einer großen Unternehmensberatung war sie von 1998 bis 2005 erst Referentin und dann Leiterin des Bereichs „Politik, Recht und Religion“ an der Forschungsstätte der evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) in Heidelberg.
Sie promovierte an der Universität Basel über die „Kritik der Urteilskraft“ von Immanuel Kant und lehrte zehn Jahre Religionsphilosophie und Ethik an der Universität Frankfurt a. M. Seit 2010 ist sie Eisenhower-Fellow.
Von 2006 bis 2014 war sie Kulturbeauftragte und Leiterin des Kulturbüros des Rates der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Von 2014 bis 2016 leitete Sie die Hauptabteilung Politik und Beratung der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Petra Bahr ist seit 2017 Beauftragte des Rates der EKD für die evangelischen Freiwilligendienste.
Welche Werte haben für Sie besondere Bedeutung und warum?
„Freimut“ – dieses etwas altertümlich klingende Wort bedeutet für mich, ein gesundes Gleichgewicht zwischen kreativer Freigeistigkeit und entschlossenem Vorangehen. Beides ist heute wichtig. Die scheinbar uferlos gewordenen Möglichkeiten erhöhen den Druck, sich entscheiden zu müssen. Da braucht es Mut, seinen eigenen Weg zu gehen. Sich darin einen freien Geist zu bewahren, der auch die eigenen Echokammern kritisch hinterfragt, ist mehr als eine Lebensaufgabe.“
Mit welchen Werten kann ein Unternehmen langfristig erfolgreich am Markt agieren? Bringt Wertschätzung auch Wertschöpfung?
„In einer Welt, in der nur der Wandel beständig zu sein scheint, ist die Suche nach einer immer gültigen Formel zum wirtschaftlichen Erfolg fast schon eine Sehnsucht geworden. Wertschätzung untereinander darf nicht zur Marketing-Floskel werden, sondern muss sich gerade auch im Scheitern erweisen, da wo wir Fehler machen, hinter unseren Ansprüchen zurückbleiben oder kurz: wo es menschlich zugeht.“
Die Digitalisierung schreitet voran. Brauchen wir neue Werte in unserer neuen digitalen Welt, die gerade mit einer unglaublichen Schnelligkeit unser aller Leben verändert?
„Werte sind Ausdruck dessen, was sich gesellschaftlich bewährt hat. In ihnen gerinnt zu Ausdrucks- und Verhaltensformen, was sich als relevant und wertvoll erwiesen hat. Spannender als die Prophetie darüber, welche Werte künftig am Sternenhimmel der Zeit abzulesen sind, wäre die Frage, wie die „alten“ Werte und Tugenden sich im digitalen Leben beweisen.“
Werteerziehung gehört zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. Mit welchen Wertvorstellungen gehen junge Menschen heute ins Leben und sind diese Wertvorstellungen zukunftsfähig?
„Beim Begriff ‚Werteerziehung‘ zucke ich zusammen. Heute geht es mehr darum, dass Menschen aller Generationen sich darüber austauschen können, wie sie gemeinsam in dieser Welt leben und von welchen Vorstellungen sie sich dabei leiten lassen wollen. Zukunftsfähigkeit entscheidet sich daran, inwieweit sich eine Gesellschaft geschützte Räume für solche Diskurse zumutet.“
Korruption, Ränkeschmiede, Vetternwirtschaft: Ein Blick auf die globalisierte Welt stärkt nicht gerade das Vertrauen in funktionierende Wertesysteme. Wie können wir in unserer alles andere als perfekten Welt, Werte erfolgreich leben?
„Wer sich von den Welteindunklern leiten lässt, wird weder Kraft noch Motivation aufbringen können, einen Beitrag am Guten in der Welt zu leisten. Vielleicht helfen kleinere Register: warum nicht eine „Woche der Achtsamkeit“ in der Familie oder im Team bei der Arbeit ausrufen? Wer im Kleinen positive Erfahrungen macht, hat auch den Mut, die großen Herausforderungen anzugehen.
Dieses Interview führte die Journalistin Christiane Harriehausen.