Denise Schindler ist Para-Olympionikin und seit 2011 Profi-Radsportlerin. Sie gehört zu den besten Para-Radsportlerinnen Deutschlands: Silbermedaillen-Gewinnerin bei den Paralympischen Spielen in Rio und London, mehrfache Weltmeisterin, Deutsche und Bayerische Meisterin sowie Weltcup Gesamtsiegerin. Sie erhielt viele Ehrungen unter anderem wurde sie 2017 mit dem Bayerischen Sportpreis ausgezeichnet.
Denise Schindler verlor im Alter von zwei Jahren bei einem Unfall ihren rechten Unterschenkel. Dadurch hatte sie lange Zeit ein eher schwieriges Verhältnis zum Sport. Im Alter von 21 Jahren entdeckte sie ihre Leidenschaft für das Mountainbiken und fasste den Entschluss, sich für einen Alpencross anzumelden. Als sie erfolgreich am Gardasee ankam, war das Feuer für den Radsport endgültig entflammt.
Neben ihrer Sportkarriere motiviert Denise Schindler in Vorträgen und Coachings Menschen, ihre Komfortzone zu verlassen und eigene Ziele zu formulieren.
Welche Werte haben für Sie besondere Bedeutung und warum?
Authentizität ist mir sehr wichtig. Die Welt wie sie in sozialen Medien gezeigt wird, wird immer oberflächlicher. Alles glitzert rosa, alles ist toll und jeder ist erfolgreich. Der Schein überwiegt. Deswegen schätze ich Menschen, die sich treu bleiben, ihren Weg gehen und sich nicht von Gruppenzwängen manipulieren lassen. Beharrlichkeit hat für mich ebenfalls einen hohen Wert. Dazu gehört, dass man nicht beim geringsten Widerstand aufgibt. Ich mag, wenn Menschen ihren Weg gehen und dran bleiben, auch wenn es schwierig wird, um ihre Ziele zu verwirklichen. Diese Erfolge sind viel nachhaltiger und wertvoller als die schnellen, mühelosen Ergebnisse.
Mit welchen Werten kann ein Unternehmen langfristig erfolgreich am Markt agieren? Bringt Wertschätzung auch Wertschöpfung?
In meinen Augen gilt für Unternehmen das Gleiche wie für Einzelpersonen: Authentizität und Nachhaltigkeit führen langfristig zu mehr Glaubwürdigkeit und damit zu mehr Erfolg. Der Konsument hat mittlerweile bessere Möglichkeiten sich zu informieren als früher und durchschaut dadurch falsche Marketingversprechen schneller. Enttäuscht ihn ein Unternehmen, wendet er sich ab. Mit ziemlicher Sicherheit findet er einen Anbieter, der seinen Kunden und somit auch ihm mehr Wertschätzung entgegenbringt. Deshalb bringt Wertschätzung auch Wertschöpfung. Gleiches gilt auch für den Umgang mit Mitarbeitern. Junge Arbeitnehmer wählen ihren Arbeitgeber nicht nur nach der Bezahlung aus, sondern auch nach deren Image.
Die Digitalisierung schreitet voran. Brauchen wir neue Werte in unserer neuen digitalen Welt, die gerade mit einer unglaublichen Schnelligkeit unser aller Leben verändert?
Die Digitalisierung bietet viele Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten für Unternehmen und Menschen. Diese positive Facette geht in der öffentlichen Diskussion oft unter. Ich glaube nicht, dass wir dafür gänzlich neue Werte brauchen. Vielmehr müssen wir unserer Generation beibringen, dass hinter jedem Bildschirm ein Mensch sitzt. Online verliert sich der respektvolle Umgang durch die Anonymität.
Es ist an der Zeit, dass wir offensiv und laut darüber diskutieren, wie wir unsere bestehenden Werte auch in der digitalen Welt durchsetzen können. Dies wird zu einer der größten gesellschaftlichen Aufgaben, bei der Schulen und Unternehmen, aber auch Medien, eine aktive führende Rolle einnehmen müssen.
Werteerziehung gehört zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. Mit welchen Wertvorstellungen gehen junge Menschen heute ins Leben, und sind diese Wertvorstellungen zukunftsfähig?
Die Werteerziehung bereitet unsere Kinder und Jugendlichen optimal auf ein erfülltes Leben vor. Leider halten manche Eltern zu viel von ihren Kindern weg und es versäumen es, sie auf die Welt und das Leben vorzubereiten. Für ein glückliches und zufriedenes Kind ist es wichtig, auch negative Erfahrungen zu sammeln, sie selbst durchzustehen und an ihnen zu wachsen.
Dadurch können viele junge Erwachsene keine Verantwortung übernehmen und Loyalität wird somit zum Fremdwort. Ich glaube und hoffe, dass diese Verhaltensweisen sich selbst korrigieren. Denn auf der anderen Seite begegne ich vielen Jugendlichen, die eine große soziale Kompetenz besitzen, sich ehrenamtlich einsetzen und sich über das normale Maß engagieren. Diese junge Menschen haben keine oberflächlichen Werte. Deren Initiativen müssen stärker ins Licht gerückt werden. Dafür müssen wir uns verantwortlich zeigen und positive Beispiele in den Fokus setzen, damit sie ihre Strahl- und Übertragungskraft entfalten können.
Korruption, Ränkeschmiede, Vetternwirtschaft: ein Blick auf die globalisierte Welt stärkt nicht gerade das Vertrauen in funktionierende Wertesysteme. Wie können wir in unserer alles andere als perfekten Welt, Werte erfolgreich leben?
Wir leben immer noch in einer Welt in der wir mit Werten viel gestalten können. Dabei ist jeder einzelne Mensch und jedes Unternehmen gefordert, sich selbst zu fragen: für welche Werte stehe ich und welche Werte möchte ich vermitteln? Dazu gehört auch, sich für diese Werte einzusetzen. Dieser Schritt erfordert Mut, aber je mehr es wagen, desto mehr können wir als Gesellschaft erreichen. In der Vergangenheit haben wir Großes aufgrund von Werten erreicht, das sollte uns anspornen für eine gemeinsame wertvolle Zukunft.
Welche Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, hat für Sie wirklich Vorbildfunktion und wenn ja, warum?
Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbands, brennt seit über 10 Jahren für die Bewegung des paralympischen Sports. Er kämpft für seine Herzensangelegenheit: die Gleichstellung des Behindertensports in Deutschland und gelebte Inklusion. Nach Beendigung seiner politischen Karriere 2009 nutzt er seinen Ruhestand, um den Paralympischen Sport den Platz in der Gesellschaft zu geben, den er verdient. Ich bewundere Beuchers Beharrlichkeit und Leidenschaft für das Thema Behindertensport. Mit seinem Engagement hat er so viel erreicht. Die Geschichten, die seine paralympischen Sportler schreiben, inspirieren eine ganze Nation. Für mich ist Julius Beucher ein großes Vorbild, weil er täglich beweist, dass man mit Werten eine Gesellschaft verändern kann.
Dieses Interview führte die Journalistin Christiane Harriehausen.