Seit ihrer Gründung im Jahr 2005 führt die „Wertekommission – Initiative Werte Bewusste Führung e. V.“ einen kontinuierlichen und intensiven Dialog zum Thema „Werte schaffen Wert“ – mit Führungskräften der deutschen Wirtschaft, mit Wirtschaftsethikern, mit Politikern, mit Künstlern, Religions- und Medienvertretern sowie Meinungsführern von Non-Profit-Organisationen. Innerhalb der Unternehmen wendet sich die Wertekommission sowohl an junge Führungskräfte, die erstmals vor der Herausforderung stehen, Führungsfunktionen zu übernehmen, als auch an erfahrene Führungskräfte bis hinauf in die Vorstandsetagen. Unser Ziel ist es, einen möglichst breiten, Branchen und Hierarchien übergreifenden Diskurs anzustoßen beziehungsweise voranzutreiben.
Die von uns mit entfachte und stetig geförderte Wertedebatte hat seit der Finanz- und Wirtschaftskrise zwischen 2007 und 2009 enorm an Dynamik gewonnen. Weder die Erforschung der Ursachen noch die Bewältigung der Folgen ist heute wirklich abgeschlossen. Sicher ist nur: Die Krise hat nicht nur vermeintlich gesicherte wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse ins Wanken gebracht, sondern auch einen eklatanten Mangel an Werteorientierung in großen Teilen der Wirtschaft – namentlich in der Finanzindustrie – offenbart. Und sie hat die Frage nach den moralischen Grenzen des freien Wirtschaftens in bis dahin nicht gekannter Zuspitzung auf die Tagesordnung gebracht. Durch die Krisenerfahrung wurde nicht zuletzt auch die Frage nach dem Verhältnis zwischen den Unternehmen und ihren Mitarbeitern neu gestellt. Das betrifft sowohl die Bewältigung konkreter Problemsituationen wie etwa Restrukturierungen als auch ganz allgemein die Frage, wie ein konstruktives Miteinander im Unternehmen zu gestalten sei – und damit die Frage nach dem, was ein Unternehmen im Innersten zusammenhält. Reinhard Mohn, einer der bedeutendsten Unternehmer der Nachkriegszeit hat diese Frage in der 1960 eingeführten Bertelsmann Grundsatz-Ordnung beantwortet: „Im Mittelpunkt all unserer betrieblichen Überlegungen steht der Mensch.“
Nach den dramatischen Verwerfungen der vergangenen Jahre scheint das Bewusstsein dafür größer denn je, dass werteorientiertes Verhalten kein Hemmnis für den nachhaltigen Unternehmenserfolg darstellt, sondern gleichsam dessen Voraussetzung ist. Robert Bosch hat dies bereits im Jahre 1921 klar erkannt: „Eine anständigste Art der Geschäftsführung ist auf Dauer das Einträglichste, und die Geschäftswelt schätzt eine solche viel höher ein, als man glauben sollte.“ Wer die Diskussionen der jüngeren Vergangenheit über Moral in der Wirtschaft und die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen – sowie deren erkennbaren Bemühungen, dieser Verantwortung stärker als früher gerecht zu werden – Revue passieren lässt, der ist geneigt zu glauben, dass Boschs Worte noch nie mehr Zustimmung gefunden haben als heute.
Und doch: Nie war das Ansehen der Wirtschaftseliten schlechter. Der Terminus „Manager“ ist fast zum Schimpfwort verkommen. Manager müssen sich in Reputationsrankings inzwischen fast immer mit den letzten Plätzen begnügen. Dies zeigt, dass das Vertrauen in die Führungsfähigkeiten und die moralische Integrität auch der Wirtschaftseliten an einem Tiefpunkt angelangt ist. Gabor Steingart, der Chefredakteur des Handelsblattes, hat dies in seinem Buch „Das Ende der Normalität“ als schwindende Deutungs- und Definitionshoheit der alten Eliten beschrieben.
Vielen gerade auch jüngeren Führungskräften ist deshalb klar, dass sich etwas Grundlegendes ändern muss in der Wirtschaft, um das verlorene Vertrauen und die gesellschaftliche Akzeptanz zurück zu gewinnen.
Die Debatte über die Frage, was sich ändern müsste, steht indes immer noch am Anfang. Dabei liegt die Antwort auf der Hand: So wie mangelnde Werteorientierung geradewegs in die Krise geführt hat, weist eine stärkere Werteorientierung in eine nachhaltig erfolgreiche Zukunft. Werte schaffen nicht nur Wert, ihre Verankerung in der Unternehmenskultur sorgt auch für ein ausbalanciertes Verhältnis zwischen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und individuellen Interessen.
Der Wertekanon der Wertekommission kann hier als Richtschnur dienen. Er umfasst die sechs Grundwerte Vertrauen, Verantwortung, Mut, Respekt, Integrität und Nachhaltigkeit. Er ist entstanden in der nachhaltigen, inhaltlichen und gestalterischen Auseinandersetzung junger und erfahrener Führungskräfte. Diese sechs Werte bieten eine inhaltliche Orientierung für die notwendigen Veränderungen.